Hausbesuch bei Christof Gruber-Harrich
Unser dritter Hausbesuch im Rahmen der Initiative Kunstverleih führt zu Christof Gruber-Harrich. Gemeinsam mit der Künstlerin Veronika Hauer, deren Werk dieses Jahr ganz zentral im Haus der Familie Gruber-Harrich hängt, sind wir zu einem köstlichen Frühstück eingeladen. Zwischen Brot und Müsli entspinnt sich ein intensives Gespräch über Beruf und Berufungen.
Christof Gruber-Harrich leiht seit 2019 regelmäßig Werke. Unter anderem hat er Arbeiten von Marianne Lang, Alfred Lenz, Verena Preininger, Lea Titz und aktuell von Veronika Hauer ausgeliehen.
zweintopf im Gespräch mit Christof Gruber-Harrich und Veronika Hauer
Gerhard
Wir versuchen am Anfang immer mit der jeweiligen Person über ihren „Erstkontakt“ mit Kunst zu sprechen. Da ich selbst aus einen kunstfernen Umfeld komme, weiß ich, dass es nicht selbstverständlich ist, mit Kunst aufzuwachsen. Wo hat dich Kunst das erste Mal berührt? Es muss nicht Bildende Kunst sein. Oder spielt Kunst vielleicht gar nicht eine so große Rolle in deinem Leben?
Christof
Kunst spielt in jedem Fall eine große Rolle. Mein Elternhaus war nicht kunstfern. Vor allem meine Mutter ist sehr literaturaffin und wäre vielleicht selbst gern Schriftstellerin geworden, musste aber in den 70ern mit Kind zu Hause bleiben. Und mein Papa ist 8 Jahre lang im Gymnasium Tanzenberg neben Peter Handke gesessen und sie kennen sich heute noch. Bei mir selbst hat der Zugang aber viel mit dem Thema Fremdsein zu tun, denn ich bin nicht in Österreich aufgewachsen. Mein Papa war im Anlagenbau und so bin ich im Alter von dreieinhalb bis sechseinhalb in den Emiraten an der Grenze zum Oman aufgewachsen. Und als ich zurück gekommen bin, war mir Österreich ziemlich fremd und das ist mir bis heute geblieben.
Gerhard
Und wie war das Leben in den Emiraten. Hattest du Kontakt zu Einheimischen?
Christof
Ziemlich wenig. Wir haben in einem Österreicher-Camp gewohnt und Kontakt gab es eher zu Beduinen. Mein Vater war immer wieder bei Beduinen-Communitys eingeladen und dazu habe ich viele schöne Erinnerungen. Die beduinische Kultur war mir also sehr nahe. Zur arabischen Bevölkerung gab es wenig Möglichkeit Kontakte zu knüpfen. Ich kann mich nur erinnern, dass meine Mutter mit Steinen beworfen wurde, weil sie im Ramadan Auto gefahren ist. Und diese ganzen Ereignisse in der Kindheit, die haben bei mir ein „Anders Schauen“ auf die Dinge bewirkt. Für mich war eben nicht alles selbstverständlich.
Gerhard
Und wie war das dann wieder in einer österreichischen Schule?
Christof
Anfangs habe ich mich so richtig fremd gefühlt, und hab dann alles unternommen, um möglichst dazu zu gehören. Vor allem während der Pubertät, da wollte ich sein, wie alle sind. In der Oberstufe hatte ich dann einen BE-Lehrer, der entgegen den Erwartungen, dass man eh nur malt, Kunstgeschichte unterrichtet hat. Und er hat das auch geprüft! Für 2/3 der Klasse war das der totale Wahnsinn. Aber mich hat das super interessiert und ich bin sogar bei der Matura in Kunstgeschichte angetreten. In der 8. Klasse habe ich mich für ein Architekturstudium interessiert und bin mit einem Freund in eine Baukunstvorlesung gegangen. Bei der Vorlesung ist mir alles bekannt vorgekommen. Und da ist mir erst klar geworden, was wir in der Schule alles mitbekommen haben. Aufbauend auf den Unterricht habe ich mich dann intensiv selber mit Kunstgeschichte beschäftigt.
Gerhard
Und hat es im Unterricht neben der Theorie auch eine Verbindung zum praktischen Arbeiten gegeben?
Christof
Wir haben tatsächlich oft auf die theoretischen Themen reagiert. Wenn die Griechen Thema waren, wurden mit Bleistift die Säulenformen gezeichnet. Beim Thema Flügelaltäre haben wir dann Ikonen gemalt. Es war immer wechselseitiger Unterricht. Im Nachhinein muss ich sagen, es war ein genialer Lehrer.
Gerhard
Der Unterricht hat aber nicht dazu geführt, dass du selbst Künstler werden wolltest?
Christof
Ich habe den Zugang zum Kunst machen selber nie richtig gefunden, zwar ein wenig herum probiert aber nie ernsthaft. Aber es gab trotzdem immer eine ständige Beschäftigung mit der bildenden Kunst. Mehr interessiert hat mich dann das Theater. Da spiele ich jetzt selbst in einer Impro-Theatergruppe, angeleitet von einer Trainerin, die professionelle Schauspielerin ist. Und ich gehe auch sehr gerne ins Theater…Christof denkt kurz nach
Ah ja, Foto, war auch immer so ein Thema. Während des Studiums war ich in einem Fotoclub und in der Jugendzeit habe ich Nächte in der Dunkelkammer verbracht und wäre tatsächlich gern Fotojournalist geworden. Das ist aber nach der Matura gescheitert, weil es auf Grund einer Kontingentierung nicht möglich war, eine Lehre zu machen.
Gerhard
Aus persönlichen Gründen sei mir folgende Frage gewährt: Ich habe ja selbst ein Architekturstudium absolviert – warum ist aus dem Architekturstudium nichts geworden?
Christof
Ich habe gleich am Anfang bemerkt – das ist es nicht. Einerseits das mathematisch/geometrische, das mich nicht so begeistert hat und anderseits habe ich den künstlerischen Aspekt von Architektur damals nicht gesehen. Ich hatte schon ältere Freunde, die Architektur gemacht haben und dachte mir: Okay dann baust du eben irgendwelche Wohneinheiten für einen Wohnbauträger. Und ich hatte auch nicht das Gefühl, ich werde jetzt der neue Domenig oder die neue Zaha Hadid. Und dann waren auch so viele Studienanfänger. Da hatte ich bald das Gefühl, nein, das ist es nicht.
Gerhard
Welches Studium ist es letztlich geworden? Und wie hat sich das Verhältnis zur Kunst dabei entwickelt?
Christof
Es war ein wenig skurril. Ich hatte ja noch den Plan Fotojournalist zu werden, wenn auch über Umwege. Meine nächste Idee war Meteorologie und Geophysik. Da würde man sicher coole Exkursionen machen, z.B. nach Island und dort könnte ich Fotos machen und würde dann von National Geographic angeworben. Eben ein wenig naiv mit 18.
Gerhard
Ich finde, für 18 passt das ganz gut!
Christof
lacht…Und nach zwei Vorlesungen Experimentalphysik habe ich bemerkt – das geht sich nicht aus. Und dann bin ich nach einer Woche uminskribieren gegangen. Die Dame hat mich angeschaut und gefragt: Jus oder BWL. Und ich hab dann, auch weil es ein paar Freunde schon gemacht haben, BWL studiert. Was aber keine gute Entscheidung war. Es hat mich nie wirklich interessiert. Und erst viel später habe ich meinem Weg in diesem Feld gefunden. Jedenfalls alles ziemlich kunstfern. Was sich aber von meiner Kindheit an durchgezogen hat, war das Leben im Ausland. Auch während des Studiums war ich zweimal ein Jahr in einem anderen Land, einmal in Kolumbien und einmal in Portugal.
Gerhard
Jetzt würde mich natürlich interessieren welchem Beruf du nachgehst und ob du deine kreativen Betätigungen mit in diesen Beruf nehmen kannst.
Christof
Ich war jetzt ziemlich lange in der Unternehmensberatung. Und dabei konnte ich sehr kreative Dinge umsetzen. Gemeinsam mit Kollegen haben wir an der Kulturveränderung von Marken gearbeitet und dabei ziemlich bekannte Sachen gemacht. Zum Beispiel den Billa Hausverstand oder das Caritas & Du. Da habe ich schon mal gemeinsam mit dem Franz Küberl (ehem. Caritas Präsident) bei einem Workshop mit Lego gebaut, mit dem Ziel neue Ideen zu visualisieren. Oder wir haben mit Teilnehmenden in Seminaren gemalt. Nicht mit dem Ziel Kunst zu machen, sondern mehr im pädagogischen Sinne, um etwas zu erreichen.
Gerhard
Aus meiner Unwissenheit heraus habe ich jetzt noch eine Frage: Wie wird man eigentlich Unternehmensberater? Als Zeitungsleser kenne ich das fast nur als Beruf von scheidenden Politiker:innen. Und als 2. Frage: Benötigen tatsächlich so viele Unternehmen Beratung?
Christof
Erstens. Es ist kein geschützter Beruf. Du benötigst nur einen Nachweis über 2-3 Jahre Berufserfahrung. Als Politiker:in hat man das. Oder eben ein Studium mit wirtschaftswissenschaftlicher Ausrichtung. Und ja, viele Unternehmen benötigen tatsächlich Beratung. Oft muss jemand von außen kommen, um Entscheidungen voranzutreiben. Es sehe die Tätigkeit aber auch sehr kritisch. Ich habe das Gefühl, dass manchmal Sachen schon sehr gelungen sind, jetzt im Moment habe ich die Tätigkeit aber satt und versuche nochmal etwas Neues zu machen.
Gerhard
Und was ist das Neue?
Christof
Wir wollen das Thema Arbeit und ältere Menschen bearbeiten und da etwas anbieten. Älter, das heißt in der Arbeitswelt ab 50. Ich glaube wir haben hier in Österreich diesbezüglich ein sehr starres Bild. Aber viele ältere Menschen wollen tätig sein und gerade mit dem Übergang vom Arbeiten in die Pension will sich keiner beschäftigen. Plötzlich ist alles anders, das Geld ist nicht mehr wie vorher, die sozialen Kontakte sind teilweise weg und für alle ab 50, die sich mit diesen Themen beschäftigen, wollen wir etwas anbieten.
Gerhard
Ich mach jetzt mal die Schleife zum Thema Kunstverleih. Was würdest du als Unternehmensberater dem Kunstverleih raten?
alle lachen
Christof
Ich bin ja jetzt schon 5 Jahre dabei und bin damals im Forum Stadtpark dazu gestoßen. Irgendwo habe ich davon gelesen und das angebotene Speed-Dating war für mich nicht unwichtig, um dorthin zu gehen. Einfach nur hingehen und ein Werk mitzunehmen, wäre zu wenig gewesen. Und mir geht es ja nicht um Deko. Bei jedem Werk, das bei uns in der Wohnung hängt, gibt es eine persönliche Geschichte.
Über der Couch hängt ein Bild von Christof Gruber-Harrich mit dem er viel Humor beweist:
Eine KI (Midjourney) wurde aufgefordert, ein abstraktes Bild im Stile von Herbert Brandl auszuwerfen.
Gerhard
Es ist also ein großes Glück, dass uns heute die Künstlerin Veronika Hauer zum Hausbesuch
begleitet…
Veronika
Ich finde auch, das zentrale Element im Kunstverleih ist der gegenseitige Kontakt. Dass man über die Arbeit redet bei den Speed-Datings. Dass du dich nachzufragen traust: Warum machst du das überhaupt? Warum zeichnest du einen Affen? Es geht darum die Angst zu verlieren und sich anzunähern. Ich muss mir keinen Text wie im Museum durchlesen, sondern kann gleich direkt kommunizieren. Darum mach ich auch total gerne mit. Und dann ist es auch ein Event der Grazer/Steirischen/Wiener Szene, wo man sich auch unter den Künstler:innen kennenlernt.
Zum Publikum hin ist es ein Bildungsauftrag, den der Kunstverleih erfüllt und das ist mir persönlich sehr wichtig, weil das auch in meiner Arbeit mit Kindern und Jugendlichen so zentral ist.
Ich gehe irrsinnig gerne mit meinen Schüler:innen, wenn es sie interessiert, zu meinen eigenen Ausstellungen. Einerseits um bei ihnen ein Verständnis zum künstlerischen Arbeiten zu fördern und anderseits, um ihnen die Distanziertheit zu Kunstwerken zu nehmen. Und sie lernen, ich kann selber etwas machen, etwas produzieren das Bedeutung hat, das sich dann jemand, zum Beispiel der Papa, jahrelang an die Wand hängt.
Gerahmte Kinderzeichnungen in der Küche von Christof Gruber-Harrich
Christof
Bei meinem ersten Speed-Dating waren wir zu viert mit Freunden unterwegs. Das war sehr entspannt. Da werden tatsächlich Hemmschwellen abgebaut. Und der angebotene Schnaps hat das zusätzlich aufgelockert. Ich kenne ja einige Künstlerinnen und Künstler aus meinem Umfeld und weiß, dass sind auch nur Menschen. Aber vielen geht es sicher anders. Die glauben dann: Oh ein Künstler, jetzt muss ich aber ganz etwas Besonderes fragen. Vielleicht könnte man andenken, im Raum verteilt Fragen auf Kärtchen anzubieten, damit viele Menschen einen leichteren Einstieg ins Gespräch finden? Damals hatte ich im Vorhinein schon eine Arbeit reserviert. Das Bild selbst ist ja abgrundtief hässlich. Eine ziemliche Depri-Nummer, schwarz im Batikstyle. Aber beim Speeddating habe ich die Geschichte zum Werk vom Künstler erfahren und die ist einfach sensationell. Ich hatte einen Therapeutenfreund dabei, der hätte das auch am liebsten gleich für seine Praxis gekauft.
Anmerkung: Alfred Lenz, Freud, 2009 -2021, Leinwand, Spannrahmen, Ruß, Fixativ
(Beschreibung von der Homepage des Künstlers www.alfredlenz.com/freud): In der Berggasse 19 in Wien befanden sich Sigmund Freuds Wohn- und Arbeitsräume. Für die Bilderserie erbat ich mir Zugang zum Dachboden des Gebäudes, in dem sich Öffnungen zu den Kaminschächten der besagten Wohnräume befinden. Ich stopfte mehrere Leinwände so tief es ging in die Kaminschächte, um so Ruß und Rost auf die Tücher aufzubringen. Anschließend spannte ich diese auf Keilrahmen und fixierte die entstandenen Spuren.
Gerhard
Beim Speedating geht es vor allem darum, die Künstlerin/den Künstler hinter dem Werk kennenzulernen. Interessiert es dich überhaupt, wer ein Werk geschaffen hat?
Christof
Ja, das interessiert mich schon. Oft ist so, dass zuerst das Werk kommt und dann beginne ich mich für die Person dahinter zu interessieren.
Veronika Hauer ergreift gleich die Möglichkeit und übergibt Christof ihre aktuellen Kataloge…
Christof Gruber-Harrich im Gespräch mit Veronika Hauer
Gerhard
Das ist jetzt gleich eine sehr gute Gelegenheit, um über deine Serie mit den Affen zu sprechen! Und wir könnten diesen Aspekt auch mit deiner persönlichen Biografie verbinden. Geburt – Kindheit – Bildung – und zum Schluss landet man bei den Affen (lacht)
Veronika
Ich bin in Klosterneuburg aufgewachsen und mit 18 Jahren nach Wien gezogen, um auf der Angewandten zu studieren. Zuerst bei Barbara Putz-Plecko und später dann bei Erwin Wurm.
Gerhard
Das verleitet mich gleich zu einer Zwischenfrage. Kommst du aus einem kunstaffinen Haushalt, weil du dich gleich mit 18 entschieden hast, ich geh nach Wien und studiere Kunst?
Veronika
Das war eine lustige Fügung. Einerseits, habe eine sehr tolle Kunstlehrerin gehabt, die ganz jung Kunst als Wahlpflichtfach zu unterrichten begann. Sie hat es geschafft mich wahnsinnig dafür zu begeistern. Und nach der Anmeldung bei der Angewandten hat sie mich bei der Bewerbungsmappe unterstützt. Anderseits haben das meine Eltern auch gefördert. Auch wenn sie aus einem Sicherheitsgedanken heraus gesagt haben: Du kannst Kunst studieren, aber bitte mach auch das Lehramt dazu. Ich dachte mir damals: Ich sag jetzt mal Ja dazu, aber unterrichten tu ich danach sicher nicht.
Alle Lachen (Anm. Veronika Hauer unterrichtet seit 2015 in der Modellschule Graz)
Nach dem Abschluss des Studiums in Wien habe ich das Unterrichtspraktikum gemacht und bin dann nach London, um am Goldsmith College Kunsttheorie zu studieren. Ich wäre gerne in London geblieben. Aber 2008 war die Wirtschaftskrise und es ergab sich keine Möglichkeit dort zu bleiben.
Es war nicht mal möglich irgendeinen Job im Verkauf zu bekommen. Also ging es wieder zurück nach Wien. Meine Eltern haben sich danach sehr für meine Karriere als Künstlerin interessiert und mich auch immer gefördert, sie haben Fragen gestellt zu meiner Arbeit, sind zu Ausstellungseröffnungen gekommen und haben sich dabei mitentwickelt.
Gerhard
Und wie führt dich dieser Weg nun zu deinen Affenzeichnungen?
Veronika
Ich habe immer schon sehr konzeptionell gearbeitet. Irgendwann hat mich die Figur des Narren zu interessieren begonnen. Als jemand zwischen Spaß und Ernsthaftigkeit ist der Narr dem Künstler/der Künstlerin durchaus verwandt. Dazu habe ich einige Arbeiten gemacht und dann irgendwann begonnen auch Affen zu zeichnen. Ich habe den Affen immer bewusst als „Figur“ nicht nur als Tier betrachtet. In seiner Darstellung als Menschennarr und als menschliches Gegenüber. Die Nähe zu diesem Tier und dann auch wieder diese Abgrenzung, z.B. bei der Haltung in Zoos, das interessiert mich. Aber eigentlich arbeite ich an zwei Strängen parallel. Das eine sind die Affenportraits und das andere sind konzeptionelle und skulpturale Arbeiten, in denen ich mich mit Sprache und Performance auseinandersetze. Das sind zwar sehr unterschiedliche Pole, die ich aber für mich auch im Wechselspiel brauche.
Gerhard
Viele dieser Affenportraits sehen die Betrachter:innen direkt an. Wie ist das, solche Portraits zu zeichnen? Ist es, als ob man in einen Spiegel schaut?
Veronika
Nein eigentlich nicht. Ich sehe das eher distanziert. Vor allem bei der neuen Serie, die ja auf einer Figurenserie von Meissen Porzellan, der so genannten Affenkapelle, beruht. Da interessiert mich dieser Transformationsprozess, denn es gibt einen französischen Maler, Christoph Huet, aus dem 17.Jhd. und basierend auf seinen Werken, den sogenannten Singerien, die er in französischen Barockschlösser malte, modelliert Johann Joachim Kändler einige Zeit später für die Firma Meissen die Affenkapelle. Und zwar eins zu eins. Die Affenkapelle, das sind kleine Tischfiguren, musizierende Affen, die sehr vermenschlicht wie der französische Adel angezogen sind. Sie wurden zur Unterhaltung des Adels aufgestellt.
Gerhard
Lieber Christof, wie es für dich jeden Tag die Stiege herunterzukommen und dem Affen entgegen zu schreiten?
Christof
Ich geh ihm gar nicht direkt entgegen. Aber von meinem Platz am Tisch schau ich ihn direkt an und ich schau tatsächlich gerne rauf zu ihm und er schaut auf mich zurück. Wenn auch nur mit einem Auge. Aber wie Veronika gemeint hat, auf dem ersten Blick ist es ja nicht nur ein Tier, sondern auch sehr vermenschlicht dargestellt, bei längerer Betrachtung ist die Darstellung nicht nur Tier oder Mensch sondern etwas Eigenständiges, ein Transwesen. Ich kann mich erinnern vor einem Jahr habe ich den Emu (Anm. Verena Preininger, aus der Serie „Bones and Portraits“, 2021) gehabt.
Da gab es auch eine persönliche Geschichte mit so einem Tier…Und jetzt fällt mir ein: Ich wurde als Kind sogar von einem Affen gebissen…alle lachen
links, 2 Collagen von Christof-Gruber Harrich
rechts: Veronika Hauer – Drummer melting (after Meissen), 2024
Eva
Eine Frage, die uns sehr interessiert geht noch an euch beide. Gibt es abseits vom Kunstverleih noch einen Bereich in dem Leihen für euch eine Rolle spielt? Oder leiht ihr
selbst etwas her?
Christof
Ich würde gerne Autos leihen, muss aber derzeit wegen Kind und Kegel noch selbst eines besitzen. Verleihen tu ich Werkzeug, vor allem hier in der Nachbarschaft. Manchmal kommt auch etwas nicht zurück, dann denke ich mir: Weniger Dinge, das ist auch schön!
Veronika
Ich verleihe gerne Bücher – mir ist dann aber schon wichtig, sie wieder zurückzubekommen. Weil ich manchmal aber darauf vergesse, schreibe ich meinen Namen in die Bücher, damit derjenige, der das Buch hat, sich denkt: Ah, das gehört ja gar nicht mir und es deshalb dann zurückbringt.
Eva
Vielen Dank euch beiden fürs Gespräch! Wir hätten aber noch, inspiriert von anderen Interviews, eine philosophische Schlussfrage…Oft wird da gefragt: Worum geht es im Leben? Wir würden noch eine zweite Frage anhängen und überlassen euch die Entscheidung, worauf ihr antworten mögt: Worum geht es in der Kunst?
Christof
Ich könnte so in der Art der Zen-Mönche antworten.
Aufstehen. Seine Arbeit machen. Schlafen gehen.
Veronika
Im Leben geht es um Beziehungen und das Miteinander. Und in der Kunst geht es ganz stark um die Entwicklung von Persönlichkeit und den persönlichen Ausdruck von Gedanken über unsere Gesellschaft.